Mehr Fuss- und Veloverkehr, attraktiverer ÖV, weniger Staus
Der bestehende Verkehrsrichtplan stammt aus dem Jahr 1995. Seither sind neue Quartiere entstanden, die Bevölkerung der Gemeinde ist um 3'000 Einwohnerinnen und Einwohner gewachsen und die Freizeitmobilität hat zugenommen.
Mit der Revision des Verkehrsrichtplans will der Gemeinderat die Verkehrsführung mit der räumlichen Entwicklung und den Klimazielen der Gemeinde in Einklang bringen und die Bedürfnisse der verschiedenen Verkehrsteilnehmenden sowie die Anliegen der verschiedenen Interessengruppen besser aufeinander abstimmen.
Die Gemeinde will damit Antworten auf ungelöste Verkehrsprobleme finden. Dazu gehören die Verkehrsüberlastung und Staus auf bestimmten Strassenabschnitten, die teilweise schwierigen Verhältnisse für Fussgängerinnen und Fussgänger sowie Velofahrende, heikle Stellen auf Schulwegen, wenig attraktive Plätze im Dorfzentrum, der Suchverkehr und «wildes» Parkieren in der Spiezer Bucht, in Faulensee und Einigen und eine wenig freundliche Seestrasse.
Der neue Verkehrsrichtplan gibt die Leitlinien für die künftige Verteilung des Strassenraums vor und beinhaltet Vorschläge für konkrete Massnahmen. Im Einklang mit der Mobilitätsstrategie Spiez 2050 setzt die Gemeinde auf eine Mobilität, die ökologische, soziale und wirtschaftliche Aspekte berücksichtigt. Die Rolle des Fuss- und Veloverkehrs sowie des ÖV soll gestärkt werden und der motorisierte Individualverkehr auf den Spiezer Strassen nicht zunehmen.
Um die Situation der Fussgängerinnen und Fussgänger zu verbessern, schlägt der Gemeinderat unter anderem neue Verbindungen vor: zum Beispiel einen Fuss- und Radweg entlang des Bahntrassee zwischen Simmental- und oberer Bahnhofstrasse, eine Fuss- und Velobrücke über die Kander zwischen Brüggstutz und Stationsweg und eine Fuss- und Veloverbindung von der Unterführung Neumatte zur Industriestrasse. Ziel ist es auch, die Uferweglücke Spiez – Einigen zu schliessen und einen Lift zwischen Kronenplatz und Bahnhof zu bauen. Generell sollen die Wohnquartiere südlich des Bahnhofs besser angebunden werden und attraktive Fussverbindungen von der Bucht ins Zentrum entstehen.
Wo nötig will die Gemeinde die Signalisation bestehender Wege verbessern, Trottoirs und Gehwege verbreitern, Wege mittels Rampe oder Handlauf hindernisfrei gestalten, die Beleuchtung ergänzen oder Sitzmöglichkeiten schaffen. Der Gemeinderat will die Schwachstellen in den bestehenden Fussverbindungen identifizieren und analysieren und fortlaufend ins Unterhaltsprogramm einplanen. Zusammen mit den Schulen prüft die Gemeinde zudem jährlich die Sicherheit auf den Schulwegen und ergreift bei Bedarf entsprechende Massnahmen.
Es wird geprüft, wie sich auf dem Dürrenbühlweg zur Turnhalle und auf dem Gartenweg u.a. bei der Einmündung in die Seestrasse die Verkehrssicherheit verbessern lässt. Ebenso ist vorgesehen, den Zugang auf das Trottoir der Hondrichstrasse zur Bushaltestelle «Sibirienkurve» genauer anzuschauen. Auf der Dorfstrasse in Einigen wird beim Dorfplatz die Errichtung einer Begegnungszone (Tempo 20) geprüft.
Bei den zuständigen kantonalen Stellen will sich die Gemeinde für Massnahmen einsetzen, die auf den Kantonsstrassen die Sicherheit für Fussgängerinnen und Fussgänger erhöhen: zum Beispiel am Gwattstutz im Bereich Rosenweg / Brüggstutz und an der Thunstrasse im Spiezmoos zwischen Restaurant Kreuz und Gesigenweg. Auch sollen Fussgängerinnen und Fussgänger künftig den Lötschbergplatz im Zentrum sowie die Bahnhofstrasse vor dem Bahnhof sicherer überqueren können.
Im kommunalen Velonetz sollen Lücken geschlossen werden: zum Beispiel auf dem Radweg Gesigen südwestlich der Autobahn, nördlich entlang der Autobahn zur Umfahrung des Industriegebiets Lattigen nach Gesigen oder auf dem Fuss- und Radweg Üech–Simmentalstrasse; hier ist eine Verbindung entlang des Bahntrassees zwischen Simmentalstrasse und oberer Bahnhofstrasse geplant. Auch die vorgeschlagene Brücke über die Kander zwischen Brüggstutz und Stationsweg sowie die Verbindung von der Unterführung Neumatte zur Industriestrasse sollen nebst den Fussgängerinnen und Fussgängern auch den Velofahrenden dienen.
Die bestehenden Velowege sollen wo nötig verbessert werden; so will die Gemeinde zum Beispiel den Fussweg vom Neumattenquartier auf die Simmentalstrasse (Höhe BP-Tankstelle) verbreitern und dank neuer Signalisierung besser als Fuss- und Radweg kennzeichnen.
Bei den regionalen und kantonalen Velonetzen will die Gemeinde auf verschiedene Verbesserungen hinwirken. Schwachstellen ortet sie etwa entlang der Kantonsstrassen Simmentalstrasse, Thunstrasse, Oberlandstrasse, Bahnhofstrasse und am Gwattstutz. Vergleichsweise häufig zu Unfällen kommt es auf der Thunstrasse zwischen Spiez und Einigen, beim Knoten Lötschbergzentrum, beim Bahnhof und am Gwattstutz.
Der Gemeinderat setzt sich zum Ziel, Spiez in das regionale Veloverleihsystem einzubinden, gemeinsam mit der Stadt Thun und umliegenden Gemeinden; die Anzahl Stationen in der Gemeinde soll schrittweise erhöht werden. An mehreren Orten in der Gemeinde soll es zudem für Velos künftig genug Abstellplätze geben, etwa an stark frequentierten ÖV-Haltestellen, in der Bucht, im Zentrum Spiez und in Faulensee im Dorf oder beim Strandbad. Beim Bahnhof Spiez strebt die Gemeinde eine gesicherte Velostation an.
Um den ÖV zu stärken, arbeitet die Gemeinde an einem neuen Ortsbuskonzept: Vorgesehen ist in einem ersten Schritt mit dem Fahrplanwechsel 2024 der Halbstundentakt nach Spiezwiler und Hondrich. Die Gemeinde prüft regelmässig den Bedarf nach einem Ausbau des Regional- und Ortsbusangebots und bringt Vorschläge in die Regionale Verkehrskonferenz ein, die gemeinsam mit dem Kanton und den Transportunternehmungen für die Planung des öffentlichen Regionalverkehrs zuständig ist. Ein wichtiges Anliegen sind Taktverdichtungen. Auch strebt die Gemeinde die bessere Erschliessung des Bürgquartiers und bessere Umsteigebeziehungen von den Bäuerten nach Interlaken an. Nicht überall lassen sich herkömmliche ÖV-Angebote zu vertretbaren Kosten betreiben; hier will Spiez Alternativen wie etwa On-Demand-Lösungen und Veloverleih prüfen.
Auch bauliche Massnahmen erhöhen die Attraktivität des ÖV: So sind zum Beispiel manche Bushaltestellen im Zuständigkeitsbereich der Gemeinde nicht vollständig hindernisfrei, der Einstieg mit Kinderwagen oder einem Rollstuhl ist schwierig. In einem ersten Schritt sollen im Rahmen der geplanten Sanierungen der Seestrasse, Hondrichstrasse und Schachenstrasse folgende Haltestellen saniert werden: Sodmatte, Eden Hotel, Krone, Parkplatz Regez, Schiffstation, Doren, Grueb und Schachen. Der Kanton seinerseits wird bis 2026 folgende Haltestellen behindertengerecht gestalten: Gwattstutz, Rössli (Spiezwiler), Bühlen (Hondrich), Schulhaus (Hondrich), Bahnhof, Kronenplatz, Niesenbrücke, Spiezmoos (Spiez), Neumatte, Am See, Dorf (Faulensee).
Auf einzelnen Strassenabschnitten in der Gemeinde ist das Verkehrsaufkommen hoch: Der Verkehr stockt, die Strassen wirken trennend für den Fuss- und Veloverkehr, teilweise werden Lärmgrenzwerte überschritten. Besonders stark belastet sind die Abschnitte Thun – Spiez Zentrum mit einem durchschnittlichen täglichen Verkehr (DTV) von bis zu 15'000 Fahrzeugen im Bereich zwischen dem Kreisel Thunstrasse / Simmentalstrasse und dem Lötschbergzentrum (ansonsten 7'500 bis 8'500 Fahrzeuge) und die Simmentalstrasse zwischen Spiez und Spiezwiler mit ebenfalls rund 15'000 Fahrzeugen pro Tag. Innerhalb von Spiezwiler verkehren täglich im Schnitt rund 7'000 Fahrzeuge, wobei die Situation durch den hohen Anteil Schwerverkehr verschärft wird.
Der Grossteil des Verkehrs auf den kantonalen Hauptachsen ist hausgemacht, also Binnenverkehr von Spiez. Von einem hohen Anteil an Durchgangsverkehr betroffen sind vor allem der Gwattstutz (Verbindung ins Simmental) und die Simmentalstrasse (Richtung Autobahn und Kandertal).
In mehreren Gebieten besteht der Wunsch nach Temporeduktionen bzw. mehr Verkehrssicherheit. Mit Gutachten will der Gemeinderat zum Beispiel Temporeduktionen auf der Hondrichstrasse ab Fluh in Richtung Schulhaus Hondrich und auf dem Faulenbachweg auf Seite Spiezwiler prüfen. Am Gwattstutz soll beim Knoten Rosenweg und beim Bahnweg die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden verbessert werden.
Beim Kanton setzt sich die Gemeinde für Verbesserungen auf folgenden Kantonsstrassen ein: Oberlandstrasse (Kronenplatz bis Schlösslistrasse), Thunstrasse, Hauptstrasse, Simmentalstrasse (Spiezmoos bis Autobahnanschluss), Gwattstutz. Die Situation auf der Seestrasse vom Kronenplatz bis zum Bahnhof will die Gemeinde mit einem Betrieb- und Gestaltungskonzept verbessern und dabei auch Temporeduktionen prüfen. Die Verbesserungen sind mit den ebenfalls angestrebten Massnahmen auf der Bahnhofstrasse zu koordinieren.
Im Zentrum von Spiez soll die Anzahl öffentlicher Parkplätze – im Einklang mit der Mobilitätsstrategie Spiez 2050 – nicht zunehmen. Wird das seit langem diskutierte neue Parkhaus im Zentrum gebaut, sollen im Gegenzug oberirdische Parkfelder aufgehoben werden. So entsteht der nötige Raum, um das Zentrum aufzuwerten. Das öffentliche Parkhaus soll nahe beim Standort eines Grossverteilers und nahe am übergeordneten Verkehrsnetz liegen. Für bestehende private Parkhäuser strebt der Gemeinderat eine Doppelnutzung an; so könnte etwa das Migros-Parking auch an Wochenenden geöffnet sein.
Zur Förderung der E-Mobilität will die Gemeinde auf bestehenden Parkplätzen eine bedarfsgerechte, allgemein zugängliche Ladeinfrastruktur aufbauen und hierfür mittels Ausschreibung einen Betreiber finden. Bei den gemeindeeigenen Liegenschaften plant die Gemeinde eine Ladeinfrastruktur für Anwohnende und Mitarbeitende und nimmt so eine Vorbildrolle wahr.
Verzichten will der Gemeinderat im Zeithorizont des neuen Verkehrsrichtplans auf die Forderung eines Vollanschlusses Faulensee. Dieser Ausbau der Strasseninfrastruktur wäre aus mehreren Gründen unverhältnismässig. Gemäss Zielsetzungen der Region sind Strassenausbauten nur für dringendste Engpässe zu planen; nach diesem Grundsatz plant auch das Bundesamt für Strassen. Von der Idee bis zur Realisierung des Vollanschlusses wäre mit mehr als 15 Jahren zu rechnen, der Kanton müsste das Vorhaben in seine Planungen aufnehmen und vor Eingabe beim Bund eine Zweckmässigkeitsuntersuchung durchführen – die Erfolgschancen eines solchen Prozesses sind angesichts der sehr lokalen Auswirkung minimal. Gegen den Vollanschluss sprechen auch die hohen Kosten, der Verlust von wertvollem Kulturland und die Verlagerung der negativen Verkehrsauswirkungen in einen bisher davon nicht betroffenen Ortsteil von Spiez.
Der Verkehrsrichtplan gibt Leitplanken für die Behörden vor. Für die Umsetzung der Massnahmen gelten später die üblichen Bewilligungsverfahren. Je nach Höhe des Verpflichtungskredites für konkrete Massnahmen braucht es die Zustimmung des Gemeinderats, des Gemeindeparlaments oder der Stimmberechtigten. Braucht es für eine Massnahme eine Zonenplanänderung, ist ausser bei kleinen Anpassungen eine Volksabstimmung nötig. Bei Baugesuchen für einzelne Massnahmen kommt das normale Bewilligungsverfahren mit öffentlicher Auflage und Einsprachemöglichkeit zum Zug.
Die gemeinsam mit der Bevölkerung erarbeitete Mobilitätsstrategie Spiez 2050 gibt zusammengefasst folgende Leitplanken vor:
- Die Verkehrs- und die Siedlungsplanung fördern die kurzen Wege und sind darauf ausgerichtet, die Mobilitätsbedürfnisse möglichst effizient zu befriedigen.
- Klug miteinander vernetzte Angebote und Verkehrsmittel (z. B. Velo, ÖV, Car-Sharing und Individualverkehr) ermöglichen ein attraktives Vorwärtskommen mit nahtlosem Umsteigen. Als Ergänzungen zum klassischen öffentlichen Verkehr sind Lösungen mit flexiblen Abfahrtszeiten und variablen Haltestellen denkbar. Smarte Technologie trägt dazu bei, das Verkehrssystem zu verbessern und zu vereinfachen.
- Die Bäuerten sind untereinander und mit Spiez gut verbunden. Hierzu stärkt die Gemeinde das Velonetz und fördert die gemeinsame Nutzung von Verkehrsmitteln, etwa mit Sharing-Angeboten von Autos, Velos, E-Bikes oder Lastenvelos. Der motorisierte Individualverkehr auf den Spiezer Strassen nimmt ab.
- Spiez nutzt das Potenzial seines zentralen Bahnhofs als Mobilitätsdrehscheibe, schafft attraktive Angebote für die erste und letzte Meile zum Bahnhof und stärkt so im Regional- und Fernverkehr den ÖV.
Der öffentliche Raum dient vielfältigen Nutzungen und ist einladend gestaltet. Im Sinn eines sorgfältigen Umgangs mit der begrenzten Fläche ist die Parkierung effizient und platzsparend zu organisieren.